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Dieser Blog ist ein Sammelsurium von Gedichten.

Mittwoch, 3. März 2010

Stoische Ruhe

Wenn ich morgens die Augen öffne, frage ich mich zunächst wo ich bin und dann kommen langsam Erinnerungen an die Gräueltaten der letzten Nacht, wie Regentropfen von der Decke landen sie laut platschend auf meiner Stirn und lassen mich aufschrecken und zusammen zucken ob ihrer Klarheit. Ich bin kein Mensch der böse wird wenn er trinkt, ich werde maßlos, in allem was ich tue und sage. Ich benutze schlimme Wörter und meine Hand wandert zu Bereichen an Frauenkörpern, die man eigentlich in der Öffentlichkeit eher unberührt lässt, aber sowas stört ja heute eh keinen mehr. Masturbation ist Selbsthass, Enthaltsamkeit aber sowas von out. In diesen Tagen wo Kiddies übers Ficken schreiben und Moderatoren Scheidenextrakt im öffentlich rechtlichen Fernsehen von zweifachen Doktortitelträgerinnen geschenkt wird (zum Glück war es der eigene, obwohl macht das einen Unterschied?), scheint mir jegliches Fehlverhalten in der Öffentlichkeit weniger unangebracht als es mir wohl vor Jahren vorgekommen wäre. Ohne Suchtproblem und einen promiskuitiven Lebensstil ist man heute einfach nicht mehr in. Hier wird Rufschädigung zum Marketinginstrument. Und ich lerne daraus: scheiß drauf, I don´t give a fuck. In einer Zeit, in der der einzige übrig gebliebene Wert ein monetärer ist, bezahle ich meine Nächte mit meiner Jugend.
Mein Leben ist das Drehbuch zu Good Will Hunting, na gut, er ist besser in Mathe als ich. Es gibt da jedenfalls diese Szene mit Minnie Driver, in der sie ihm ihreLiebe gesteht und er sie abweißt mit dem Satz: "Hör auf mich retten zu wollen!" Ich muss da immer weinen. Wenn man sich das dann mal selber sagen hört, denkt man gleichzeitig, wie billig das ist, in solch einer Situation aus einem Film mit dem talentfreien Ben Affleck zu zitieren und fragt sich wie man eigentlich zu dieser Hure der Popkultur geworden ist. Bei Licht betrachtet ist da sogar ein wenig Humor drin versteckt, wohl aber eher einer von der Art, den gute plazierte Witze auf Beerdigungen aufweisen.
Zur Schadensbegrenzung mache ich erstmal Kaffee und bringe ihr Frühstück ans Bett. Ich halte es für den berühmten Tropfen auf den heißen Stein, sie schenkt mir ein Lächeln. Ich gehe zur Arbeit und verbringe meinen Tag mit den Gedanken was das alles bringt, wo es mich hinführt und wann es angefangen hat? Aber vorallem frage ich mich was denn die Alternative zu meinem Leben wäre und komme zu der Einsicht, dass diese mir zu öde ist und wahrscheinlich sogar verhindern würde weitere dieser Zeilen zu schreiben. Am Ende verliere ich durch ein geregeltes Leben sogar meine Liebe zu suizidaler Musik, gesungen von Menschen mit starkem Hang zur emotionalen Selbstverstümmelung, dann könnte ich meine Plattesammlung einäschern und müsste dem Plattenladenbesitzer die Freundschaft kündigen, was wiederum dessen Eigenheimfinanzierung beträchtlich ins Wanke bringen würde und das ist mit zu viel des Butterfly Effects. Ich bleibe also dabei, damit können die ersten drei Fragen unbeantwortet bleiben und ich gehe entspannt durch den Tag, der somit begonnen hat wie jeder andere. Was mich wiederrum zum Hypokraten macht, aber nur vor mir selbst, was nicht besonders schlimm ist, so lange man es sich dolle genug einredet.
Ich habe mal gelesen, dass man nur lieben kann, wenn man sich selber liebt. Ich finde das hinkt. Dann würde man nur sich selber hassenend hassen können. Und Menschen hassen sehr viele Dinge, wo sie doch gleichzeitig andere Sachen lieben. Ich zum Beispiel hasse Menschen, zumindest die meisten, aber ich könnte bei Kaffee mit Zimt vor Liebe vergehen. Ich glaube diese Theorie ist aus der Angst entstanden zugeben zu müssen, dass das Leben im Grós doch ziemlicher Blödsinn ist, den man sich schönsaufen muss und das ist gesellschaftlich inzwischen so akzeptiert, dass Rotkäppchen peinlich entschuldigende Werbespots für seinen alkoholfreien Sekt macht. Slogan: "Rotkäppchen alkoholfrei, damit auch du dazu gehörst!". Wenn ein Ford Ka in einem Spot eine Taube vaporisiert kommt die Peta und sagt: "Du, du, du!" aber wenn einer Nation suggeriert wird, dass man doch besser benebelt durchs Leben schreitet, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden, kommt keiner, gibt ja auch keinen der da kommen könnte. Aber ein arbeitsloser Sozi-student wird das sicher bald lösen.
Das Leben von Dylan Thomas endete vom Stuhl fallend in einer Bar mit dem Satz: "Ich hatte acht volle Whiskey, ich glaube das ist Rekord." Ein ziemlich perfekter Abgang, wie ich finde. Ich begnüge mich mit einer Flasche Wein für den Abend, der oben beschriebenen Musik und den Briefen von Simone de Beauvoir an Jean-Paul Sartre und bin sofort begeistert wie diese Frau in ihrer unschuldigen Liebe zu diesem großen Mann aufgeht, obwohl es nach 100 seiten schon etwas trieft, aber das tut es ja bei Franzosen gerne. All dies dient der Ablenkung von den Optionen dieser Nacht, was aber nichts bringt, denn mein Über-Ich verweilt in fötaler Position sich schämend seiner Feigheit gegen mein Ich zu kämpfen, das gegen dieses ein fach die größeren Muskeln hat, vom Es ganz zu schweigen. Wie die meisten Männer dieser Welt macht mich das zu einem Kleinhirnakteur und zwingt mich meine Zeit mit der Befriedigung von Grundbedürfnissen zu verbringen.
Wenn das Denken nach der Tat kommt, ist man zur Wiederholung gezwungen. "A line allows progress, a circle does not!" Wobei ich ja letztens gelernt habe, das eine Linie auch ein Kreis ist, nur mit einem unendlichen Radius. Das hat mich sehr beruhigt, denn das macht die Sache rund.