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Dieser Blog ist ein Sammelsurium von Gedichten.

Dienstag, 16. August 2011

Grasräubergeschichten III (Kreatieftaucher)

Ich sitze in einem schnellen Auto, dass schnell sein muss, denn wir haben es eilig. Wir fahren über die Dörfer um Riesa, denn meine bester Freund hat es hingekriegt einen Amp zu schrotten, den der Hauptband des Abends. Ausgerechnet mit dem letzten Anschlag der Seiten kam eine Stichflamme aus der Membran dieses nagelneuen Geräts. Und er musste lachen. Er war wirklich der Einzige, der daran was lustig fand, denn ich hielt den Abend für gelaufen.
Der DJ, chaos the drug, wird mich Stunden später für die Überbrückung verfluchen für die ich ihn eingespannt habe. Wir fahren von Proberaum zum Technikbedarf. Keiner da, Samstag Nacht, 23 Uhr, in Riesa. Nach etwa zwei Stunden werden wir fündig und laden den Bassverstärker ins Auto, der seinen Besitzer nie wieder sehen wird.
Wir fahren zurück und die Band kann spielen, drei Stunden zu spät und wird meine Polizeianmeldung um zwei Stunden überziehen. Gegen um eins, ich mische die Band, sehe ich zwei Uniformierte meinen Club betreten. Sie steuern auf mich zu und ziehen mich nach draußen, denn der Türsteher hatte mit dem Finger auf mich gedeutet.
Sind sie hier der Verantwortliche, denn wir haben eine Beschwerde wegen Ruhestörung erhalten? Wer will denn das wissen? Na hören sie mal. Weder habe ich ihre Dienstausweise gesehen, noch haben sie ihre Mützen auf. Die Uniform könnten sie genauso gut vom Kostümverleih haben. Also gehen sie mal schön zurück ans Auto und machen sich zu richtigen Polizisten. Sie traben ab und kommen wieder. So, Herr Kelling, wir sind ja auch schon das zweite Mal heute Abend hier. Was? Ich sehe sie das erste Mal. Na aber wir haben doch vorhin auf dem Parkplatz bescheid gesagt. Als mein Lachkrampf endet sitzen die beiden Grünen wieder im Auto und werden mich nie wieder belästigen, außer telefonisch. Morgens um drei, etwa sechs Wochen später, klingelt mein Handy. Ich muss 4:30 Uhr zu meinem Fließbandjob bei BuS Elektronik. Ich gehe ran und es ist die Polizei. Ihre Anmeldung lief nur bis eins und immernoch rufen uns Leute an, dass es zu laut ist. Aber ich bin um elf aus dem Laden. Na dann ist es jemand anderes und überhaupt was war denn, was sie da gemacht haben? Der isländische Abend, mit Essen und Filmen und überhaupt habe ich den einzigen Schlüssel. Na wer soll dass denn dann sein? Der Club neben uns hat heute Vermietung, Geburtstag, da wird einer 18, das war vorhin schon laut! Aha, neben ihnen ist also noch ein Club. Kann es sein dass sie noch nicht mal eine Streife vorbei geschickt haben? Nee, wo ist denn ihr Club überhaupt? Einen Lachkrampf später lege ich auf.
Die nächste Beschwerde der Polizei kam, als ein Glas mit sauren Gurken auf unsrem Hoftorpfosten stand und das ja eine schlimme Nacht gewesen sein muss, wenn da so ein Glas steht. Wir hatten einen 60s-Abend gemacht. Ich war Elvis, meiner Freundin war Marilyn, wir hatten Buddy Holly und Betty Boo. Die Gurken hatten wir für die Hotdogs und Milchshakes gabs auch. Ich hatte eine befreundete Band gefragt, ob sie denn nicht ein paar Lieder aus der Zeit einstudieren könnten und weil ich diese Musik damals hasste, wieß ich sie an, es besonders dreckig und schlecht klingen zu lassen. Später musste ich mit meinem Türsteher die Punks draußen davon abhalten dem Sänger auf die Nase zu schlagen, denn mit diesem gerade gehörten Ramones-Cover waren wir definitiv zu weit gegangen.
Immer wenn ein bedeutendes, lang erwartetes Album rauskam, senkten wir die Schallschutzrollos, wir hatten nur den blauen und roten Spot für die Diskokugel an und lagen rotweintrinkend auf der Tanzfläche. Nur um festzustellen, das die Nine Inch Nails nie wieder so gut würden wie zu Zeiten von The Fragile.
Dieser Club war nicht mein zweites zu Hause, ich habe da praktisch gewohnt. Freitag morgen um neun Kisten in den Keller geschleppt und Sonntag nach dem Film hinter mir zu gemacht.
Er gab auch dem ersten Gig meiner ersten Band eine Bühne. Wir hießen Underclass, eigentlich Under Glass, aber die Verbindung mit dem Flyermacher für unser erstes Konzert war so mies, dass wir uns zwangsläufig umbennen mussten, was mir garnicht schmeckte, denn die Suche nach dem Namen verschlang rund zwei Kästen Bier und um ein Haar hätten wir Lying on the Laminat gehießen. Ich bin direkt nach dem Auftritt aus der Band geflogen. Ich versuchte mich damals an schlimm schief-hohem Fallsettgedang und die waren im Proberaum in Dresden (der lag über einem Topless Carwash und obwohl der Raum ganz oben war, sind wir für jede Raucherpause runter in der Hoffnung das Rolltor geht auf und wir können einen Blick erhaschen) so geil auf ihre Instrumente, dass jeder der Lauteste sein musste. Dagegen konnte die Gesangsanlage nicht anstinken und so hat nie einer mitbekommen, dass ich gar nicht singen kann. Das war bevor Whiskey und Rauch meiner Stimme dieses Tom Waits-hafte verliehen haben.
Auf dem Rückweg nach Dresden fiel uns auf, das einer unsrer Songs wirklich wie die Peppers klang, den hatte ein Gast am Abend zuvor für ein Cover gehalten. Der Text war ihm wohl egal. Überhaupt hatten wir die Texte erst eine Nacht vorm Auftritt geschrieben und ich musste sie ablesen und musste darüber feststellen, dass sie nicht auf die Melodie oder ins Metrum passten, was mich ziemlich zittern lies und so hörte ich hochroten Kopfes quer durch die Menge Jemanden schreien: Mach doch bitte mal den Sänger leiser.
Der Club hieß Kreatieftaucher. Dieser wahnsinnig dumme Name ist uns eingefallen, weil ich was wollte mit Tiefgang, was mit Bewegung und etwas das ausdrückt, dass wir alle voll auf Kultur stehen. Hinten auf unsren Shirts und riesig groß über unsrer Tanzfläche stand "Wer nicht denken will, fliegt raus". Die Leiter unsres Nachbarclubs fanden das von Anfang an offensiv, wir mussten dann immer grinsen. Aber wir waren auch nicht immer mit Erfolg gesegnet. Wir hatten eine Nacht der Schokolade gewidmet, kombiniert mit Filmen wie, ja naheliegend, Chocolat. Der Abend kam uns 600 Euro, bei 30 Euro Einnahmen, aber jeder muss mal Laufen lernen. Auf dem Kuchen stand nicht Nuit de Chocolat sondern Chocolat Nuit und am nächsten Morgen putzte ich die Crystalreste von den Klobrillen mit Gedanke an Sorgen, wie wir die nächste Miete bezahlen würden. Aber wir hatten ja auch mit 200 minus auf dem Konto aufgemacht.
Wir hatten ein Frauenklo in babyblau und ein Männerklo in Tukkenpink. Die Farbe haben wir uns extra mischen lassen. Wir waren bei Hornbach und der spanische Farbenmischer Jojè half uns. Die Farbmischmaschine rüttelte und wir sagten, immer wenn er den Behälter öffnete, nee Jojè das muss noch schwuler. Die nächsten vier Wochen sind all Kerle ins Gebüsch pinkeln gegangen, weil sie Angst hatten, sie würden, wenn sie diesen Raum betreten, das Ufer wechseln. Erst als unser 2 Meter hoch, ein Meter breit Türsteher, den wir Fluffy nannten, intervenierte wurde diese Toilette genutzt.

(müsste K.)

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