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Dieser Blog ist ein Sammelsurium von Gedichten.

Sonntag, 6. Juni 2010

Ein Abend

Alles war gut, bis sie die Bongotrommeln auspackten. Ich hatte Bier, mein Kopf lehnte rücklinks an der Wand, die Band spielte und vor mir tanzte ein süßer Hintern. Dann Pause. Neues Bier holen. Die drei Dreadlocktypen hätten mir eigentlich verdächtig vorkommen sollen. Die waren die zweite Band, danach der Dj. Ein Msichpult war nicht vorhanden, die Übergänge holprig, die Musik zum davonlaufen, Eurodance, bah.
Rechts von mir tanzen 20 Betrunkene um einen Tisch und nennen es chinesisch. Einer rutscht auf nassem Moos aus und packt sich auf den Hintern, ich muss lachen. Schade, dass seine Stirn die Tischkante verfehlt hat. So ein Notarztbesuch hätte wenigstens noch ein bisschen Spannung in den Abend gebracht. Ich trinke 5,0 Export, das rote und mir wird schlecht, weil es nach Erbrochenem schmeckt. Wer braucht sowas? Bier, dass nach seinen Konsequenzen schmeckt. Ich nehme mir einen Freund und zieh mit ihm in die nächste Bar. Dummerweise ist sie die angesagteste der Nacht und hör links: „Das Auto muss einfach noch tiefer“....und recht:“Ja, aber dann sprach Zaratustra“ Ich nippe an meinem Bier mit dem Gedanken wer wohl dümmer ist. Gemischtes Publikum. Durch die Schwingtür in den Raucherraum und mir Kös ins Auge stecken lassen. Warum bin ich denn nur so sauer? Zurückspulen. Ich glaube die zweite Band ist schuld. Freejazz mit Cachone und Bass, dazu französischer Sprechgesang. Musik wie ein mit Fingerfarben malender Mongoloider. Jemand tippt mir rechts auf die Schulter:“ Was willste denn mit dem Palituch ausdrücken? Findeste das nich Kacke, dass du damit die Bösen supportest?“ Ich möchte ihn anspucken oder ihm ins Gesicht schlagen. Ich trete ihm auf den Fuß und sage:“Sorry.“ Achtzehntes Semester Sozialpädagogikstudent und voll was gegen Tiere töten haben. Der Fettfleck auf seinem Nasenpiercing macht mich nervös. Er findet die Band toll und mal voll was anderes. Jazz, die letzte Zuflucht der Untalentierten, danke Tony Wilson. Zitate sind wunderbar, wenn man sich nicht traut es selbst auszudrücken. Ich dreh mich weg und höre mich sagen:“Geile Location aber was für ne scheiß Band.“ Und natürlich war das Lied gerade zu Ende. Offene Münder starren mich an und die Scham zwingt mich zum Rückzug.
Vorspulen. Die Hippkneipe wird öde. Wir wechseln, Stammbar. Bekannte Gesichter. Mein Moes. Wäre ich älter würde ich wohl mein Gebiss rausnehmen, so zu Hause ist dieser Ort. Ich trinke das zu vielte Bier und setze mich zu Zweckmisantrophen. Wir verteufeln die Welt und wünschen Leuten, dies verdient haben, den Tod an den Hals.
Wieso ist Mord eigentlich verboten? Es wäre so vieles einfacher, wenn man sich mal auslassen könnte. Einfach mal ne Horde Vegetarier abstechen. Ich kämpfe mich durch Blicke zum Klo, schaue nach unten, denn mein Fuß klebt am Boden fest und lässt die Unfassbarkeit darüber übrig, wie ich auf diesem Grund je habe nächtigen können. Dunkle Zeiten. Aber peinlich ist eh nur woran man sich erinnern kann oder wird. Wenn der Abend schon mit Nacherzählungen des Vortags beginnt, ist er nur halb so viel wert wie der vorige. Ein Remix, ein Coversong von gestern, der dauert bis 0 Uhr. Dann Schweigen. Wie mit Stelzen stapft man durch die hellen Stellen der Nacht und wartet auf Nicken. Zu spät zum toll sein, zu früh um schon zu gehen. Optionen marginalisieren sich selbst und zurück bleibt ein Bleichgesicht am oberen Ende einer Budweiserflasche, dass sich für so viel schlauer hält als den Rest.

Sonntag Morgen in Dresden

Das Problem mit hübschen Frauen, mit denen man platonische Beziehungen pflegt, ist, dass man das nicht tut. Dieses kleine Stück Mensch in mir, ihren Hintern niedlich zu finden und sie zum Lachen bringen zu müssen, um sie eben lachen zu sehen bestimmt die Zeit, die wir auf dieser Decke im Sonnenuntergang liegen.
Sie streicht mir durchs Haar, als wäre es nichts, schaut mir in die Augen, zieht einen Mundwinkel nach oben und ich kriege zu viel. Der ukrainische Sekt lässt es dunkel werden und wir erzählen von gestern und den Menschen um uns. Ich lerne ein neues Wort Menschen mit hoher Stirn abfällig zu betiteln. Ich liebe neue Wörter und in diesem Moment liebe ich sie. Wie ihr langes rotes Haar in der letzten Sonne glänzt, wir hängen uns an den Lippen, aber küssen werden wir uns nie, weder heute noch sonst wann. Es kommt die Theorie auf, dass man nicht voraussetzen kann je wieder zu lieben, wir stehen beide auf verlorenem Posten und ich gehe bevor es peinlich wird.
Mein Heimweg wird bestimmt durch ein Cover von Ryan, Ryan nicht Brian, Adams. Wonderwall wie es Herr Gallager nie hätte schreiben können. Ich denke an die Couch auf der ich meine Nacht fristen werde, in dieser Wohnung, die nicht meine ist, mit einer Katze, die ich morgen früh noch füttern muss, bevor ich auf Arbeit gehe. Ich gehe die falsche Straße rein und lande vor meiner Lieblingsbar, deren Chef ein Wichser ist, deren Chef mein Dr. Cox Syndrom verkörpert. Ich hoffe auf bekannte Gesichter, entdecke aber nur Fielmann-bebrillte Pirnaer Ausflügler, denen wohl die tiefer gelegten Golfs vorm Laden gehören.
Ich knöpfe der hübschen Kellnerin ein Budweiser ab und merke, dass ich inzwischen zu betrunken bin um noch charmant zu sein, höre mich irgendwas pöbeln, lasse das Bier stehen, um nun wirklich schlafen zu gehen, Aktion sinnlos.
Ich kann nicht schlafen. Ich brauche was zum Arm drauf legen, die Katze will nicht und zwingen ist pervers. Also schlage ich mich mit Textideen rum und träume davon die Eier zu haben sie umzusetzen, um sie laut vorlesen zu können. Ich ermutige mich selbst mit der Begründung, dass ich alles schreiben darf, denn wenn mir jemand Schamlosigkeit vorwirft, dann war es eh das lyrische Ich.

MÖSE

Beim fünfzehnten Mal von links nach rechts drehen beschließe ich, dass diese Nacht wohl schlaflos bleibt.Ich gehe spazieren und rieche den Morgen, bevor ich ihn sehen kann. Der Krimmsekt von vier Stunden vorher färbt den Himmel lila und sorgt für mein Lächeln. Weil mir das Ganze noch nicht absurd genug ist, setze ich mich auf den Rand eines Springbrunnens, nebst eines Landstreichers, der vom Süden singt. Ich stimme ein, denn ich wäre auch gerne da. Ich tausche Tabak für Schnaps. Nach dem zweiten Refrain kommt die Bridge, aber die gerät holprig. Unterbrochen von Husten und Auswurf. Mein Kompagnon verliert die Vorderlastigkeit und kippt nach hinten in den Brunnen, Kopf unter Wasser. Ein paar Sekunden lang blubbert es lustig. Beim Kontrollschulterblick wirkt mein Spiegelbild wellig. Der Gedanke dieses Leben zu retten gewinnt, so packe ich seinen stinkenden Körper, leiste erste Hilfe und rufe den Krankenwagen. Während ich neben der Liege sitzend seine Hand halte frage ich mich welcher Kaugummi wohl stark genug ist mir den Penner aus dem Mund zu ätzen und wann ich diesen bekomme. Der Sanni sieht mich seltsam an. Ich fühle mich overdressed mit meinem Anzug neben dieser schlafenden Schönheit in Wolle und dem roten Ampelmännchen mit der Spritze voller Kochsalzlösung.Der Wagen schauckelt gefährlich und ich kämpfe gegen den Drang mich in den eigenen Schoß zu erbrechen. Wir kommen an. Beim Öffnen der Tür hasse ich mich dafür meine Sonnenbrille vergessen zu haben.
Beim Ausfüllen des Aufnahmeprotokolls mache ich mich jünger und denke mir einen Namen für meinen Schützling aus, da sich dieser wahrscheinlich jeglicher Visa entbehrt.

Rainer Essig

Ich stolpere auf dem Weg nach draußen am Heißgetränkeautomaten vorbei und fange mir ein weiß bekitteltes Zwinkern ein. Der Blick auf die Uhr lässt mich schockgefrieren, in zehn Minuten beginnt meine Schicht, die noch vier Kilometer entfernt ist. Meine Flirtversuche beim offensichtlich rosanen Krankenwagenfahrer scheitern, er hätte Pause. Nochmal drei Minuten verschwendet, zum Rennen verdammt. Und das bei meiner Unsportlichkeit. Nichts im Bauch außer Seitenstechen, kämpfe ich mich durch die Touristenmenge, blicke böse drein, damit es schneller vorwärts geht.
Als ich die Tür öffne rieche ich nach paarungswilligem Iltis, was aber bei den ganzen nach Heilsalbe duftenden Silberrücken nicht weiter auffällt. Ich begebe mich hinter meinen Stand, schließe die Kasse auf und beginne meinen Sonntag in Dresden.